Wien
„Wien und der Wein, das muss ein Stück vom Himmel sein.“
Die Realität: Langsam geht die Sonne über der trüben Weinwelt wieder auf. Die Weinbaufläche von Wien mit 637 Hektar ist im Verhältnis zu Betrieben in Südafrika, Kalifornien, Chile, Rumänien oder den großen Gütern in Frankreich und Italien eine eher kleine bis mittlere Betriebsgröße. Die kleine Weinwelt Wien ist aber eine der faszinierendsten und vielfältigsten von der man im Grunde nur sehr wenig weiß.
Die Vielfältigkeit: In Kalksburg, Rodaun und Mauer überwiegt eine typische Thermenregion-Typizität. In Grinzing, Sievering, Nussdorf und rund um den Kahlenberg herrscht das Klima eines Flusstales wie in der Wachau. Beim gegenüber liegenden Bisamberg mit Jedlersdorf, Stammersdorf und Strebersdorf findet man ein spezielles Mikroklima das vom Marchfeld beeinflusst und geprägt wird.
Die kleine Weinwelt Wien ist aber eine der faszinierendsten und vielfältigsten von der man im Grunde nur sehr wenig weiß
Ein Geheimnis: Kann es einen vom pannonischen Klima geprägten Wiener Wein geben? „Unfug“?
Über dem Wiener Wein schwebte durch Jahrzehnte in Grinzing und Sievering das Damoklesschwert „Heuriger“ über allem. Mit dem Aufkommen des Tourismus wurde der legendäre Weinort Grinzing zum Muss. Findige Wirte hängten einen grünen Buschen vor die Tür, richteten sich heurigenmäßig ein, kauften in den hintersten Winkel der österreichischen Weinbaugebiete „Weine “ um 2,- bis 3,- Schillinge pro Liter und verkauften dieses Gebräu um 10 Schillinge pro Glas. Es entstanden so „Heurige“ um „Heurige“. Die Busse brachten „einmal“ Gäste aus aller Welt und das Geschäft lief.
Jeder, auch aus den Bundesländern, der je bei einem dieser verkappten Wirte – die sich Heurigen nannten – ein Glas trank, hatte für lange genug. Die angestammten Winzer waren dieser Entwicklung hilflos ausgeliefert, denn in Wien Wein zu produzieren ist eine Sysiphus Aufgabe – fahren Sie einmal mit einem Traktor in der Stadt – viel nettes hört man dabei nicht. Dann die nötigen Hilfen im Weingarten. In Wien in diesen kleinen Flächen und manchmal sehr schwierigen Weinbergen ist die Produktion ein vielfaches teurer, als in den üblichen Weinbaugebieten von Niederösterreich und dem Burgenland.
Die „Wiener“ flüchteten nach Groß Jedlersdorf, Stammersdorf, Strebersdorf und Perchtoldsdorf zu den kleinen Winzern, die noch in den weniger berühmten Gebieten gute Weine angeboten hatten. Ein Monument des Positiven war der Mayer am Pfarrplatz und der Hengl Haselbrunner in der Iglaseegasse. Aber dem einen ging es wirtschaftlich nicht gut, dem anderen umbaute die Stadt seinen Heurigengarten mit Siedlungshäusern die sich dann über den Lärm aufregten und mehr an Stärke hatten, als der seit Jahrhunderten ansässige Betrieb. Um 8 Uhr Abends musste Stille im Garten sein. Ein weiteres Problem für den Wiener Wein: Die Gründe rund um die Weingärten gehören heute zu den begehrtesten der Stadt. Extrem gut Situierte (aus Kunst, Wirtschaft, Politik) kaufen sich ein und fühlen sich dann durch die Weingartenarbeit, Traktorlärm, die Lese, und den Pflanzenschutz gestört. Für diese „Mächtigen“ erscheint die Exekutive prompt und setzt Maßnahmen.
Im Jahre 1985 begann in Strebersdorf eine Renaissance. Ein gewisser Preyer in der Amtsstraße ließ die Weinwelt erstaunen, als er in Bordeaux einen der besten Weine der Welt stellte. Junge Winzer, wie Wieninger oder Christ ließen damals aufhorchen – in Wien gab es so tolle Weine. Trotz allem fehlte ein Leader, wie Hirzberger in der Wachau, Igler und Gsellman im Blaufränkischland oder Heinrich in Gols.
Im Jahre 1985 begann in Strebersdorf eine Renaissance. Ein gewisser Preyer in der Amtsstraße ließ die Weinwelt erstaunen, als er in Bordeaux einen der besten Weine der Welt stellte.
Aber dann – ein weißer Ritter aus dem Kärntnerland kaufte sich ein Häuschen in den wunderschönen Weingärten des 19. Bezirks – ein paar Rebstöcke gehörten dazu – was tun? Ein tüchtiger Winzer kelterte die Weine und zum Erstaunen, insbesondere des Kärntners, waren sie extrem gut – heute mit 70 Hektar Weingarten und dem Kauf des Mayer am Pfarrplatzes ist er dieser Leader. Und ganz erstaunlicherweise war sein Wein der erste, der in China wegen seiner hohen Wertigkeit kopiert wurde. Mit dieser Sogwirkung entstand ein neues Bild der Wiener Weine. Der Wiener Gemischte Satz, die Spezialität der großen Wiener Weine von einst wurde zur Marke.
Hinzu kam, dass die Stadt Wien ein Weingut am Kahlenberg seit urdenklichen Zeiten hat. Der ehemalige Wiener Bürgermeister Zilk, der dem “ guten“ aufgeschlossen war, belebte es. Sein Nachfolger Bürgermeister Häupl, dem man nachsagt leicht (?) Wein affin zu sein restaurierte es auf den letzten Stand der Möglichkeiten und ein gutes Team schafft dort Weine von Weltruf.
Heute bietet Wien bei unzähligen Heurigen, sei es in den Randgebieten wie Rodaun, Mauer oder in Groß Jedlersdorf, Stammersdorf, Strebersdorf, Nussdorf und im Handel nicht nur in Österreich, großartige Weine aus der „Stadt“.
Das oben angesprochene Geheimnis von Wien sind die Heurigen im 10. Bezirk. Hier herrscht das erwähnte pannonische Klima, im Schnittbild zur Thermenregion, einzigartig. Und hinzu kommt, Fremde verirrten sich damals wie heute nie in den 10. Bezirk. Da ein Gast in Business Kleidung, daneben einer in Arbeitsmontur von der Baustelle kommend – der Heurige in seiner Urform, mit Weinen die einfach Freude bereiten.
Im Wiener Weinbau finden sich Schätze wie ein Semillon. Eigentlich nichts neues, denn es gibt Leseaufzeichungen von 1892 aus Wien über diese Sorte. Rieslinge von höchster Qualität und „entern Wasser“, das heißt über der Donau, tolle Rotweine mit Dichte und Fülle. Übrigens: Der Wiener Gemischte Satz war nie ein Zufallsprodukt, sondern er wurde akribisch entwickelt. Robert Schlumberger schrieb in seinem Buch „Der Weinhandel in der Monarchie“ aus 1903 wie die Typen dafür zusammengesetzt sein sollten – der Muskat Sylvaner nimmt hier eine besondere Stellung ein (Muskat Sylvaner = Saugvignon blanc).
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